18. Februar 2014

Auf dem Weg ins Himalaya oder: Wie ich das Fürchten lernte

Zugegeben, der Titel ist ein bisschen polemisch. Daher gleich vorweg, das Himalaya ist kein furchtbarer Ort, ganz im Gegenteil. Es ist herrlich dort. Wenn – und das ist der entscheidende Punkt – man erst einmal dort angekommen ist. 




Daher will ich diesen Post mit einem Tipp beginnen: Kommt bloß nicht auf die Idee, ins Himalaya zu gehen wenn gerade Regenzeit ist oder kürzlich war. Denn dann verschlammen große Teile der Wege, Felsbrocken versperren den Weg oder reißen ganze Straßenstücke mit in den Abgrund. Hätten wir das nur mal gewusst... (Würde ich euch diese Geschichte erzählen anstatt zu schreiben, dann würde jetzt ein lang gezogenes Jeeeesssses Mariaaa kommen!)

Meine erste Nahtoderfahrung habe ich in den Mikros des wunderbaren Valparaísos in Chile gemacht. In der ersten Reihe der klapprigen Busse, sozusagen neben dem Busfahrer, der im Leerlauf diesen höllischen Berg runter gebrettert ist und in den Kurven auf die gegenüberliegende Fahrtseite ausweichen musste, laut hupend versteht sich. Aber es soll ja hier nicht um Chile gehen. Ein letzter Vergleich mit Latein-Amerika muss aber noch her halten: Die Death Road in Bolivien wird bekanntlich als die "gefährlichste Straße der Welt" bezeichnet und viele Gringos bekommen einen wilden Kick dabei, sie mit dem Fahrrad zu "bezwingen". Im Vergleich mit den Pisten (es sind keine Straßen!!) im Himalaya, ist die Death Road eine Gute-Nacht-Geschichte für Kleinkinder.

Für 117km von Kathmandu nach Dhunche brauchte unser Lokal-Bus 11 Stunden. Von unten bis oben, und wenn ich oben sage meine ich auch das Dach, war unser bunt bemalter Bus mit Menschen und undefinierbarem Gepäck beladen. Traditionelle nepalesische Jodelmusik, die regelmäßig Wehklängen beinhaltet, dröhnte aus den Lautsprechern direkt neben meinem Sitz und es wackelte so sehr, dass ich mich krampfhaft an der Stuhllehne meines Vordermannes festhalten musste, um nicht wie ein Gummiball hin und her zu hüpfen, während ich immer wieder meinen geflickten Stoffsitz an seinen ursprünglichen Platz rücken musste. 

Als uns der Touri-Guide im Hotel in Kathmandu tags zuvor mit hochgezogenen Augenbrauen ansah und nachfragte, ob wir sicher den "Lokal-Bus" nehmen wollen, der für "Western-People" erfahrungsgemäß eine "unerträgliche Zumutung" sei, war ich mir sicher, dass er auf ebendiese Musik und das Rumgewackel anspielte. Das war nun wirklich heftig, aber unerträglich war es nicht und ich dachte mir, was für Luschen diese "Western-People". Ich sollte mich täuschen.

Nach vier Stunden Holperweg fuhren wir geradewegs auf eine steile, drei Meter breite Matschpiste zu, die von kleinen bis mittelgroßen Felsen übersät war. Links fiel ohne jegliche Sicherung Geröll einige hundert Meter tief. Unser Busfahrer fuhr unerschrocken drauf los, schickte immer wieder seinen Sohn und ein paar Mitfahrer mit Schaufeln auf die Straße, um übergroße Felsbrocken zu beseitigen. Was er konnte überfuhr er einfach, wobei der Bus so stark ins Wanken gerat, dass alle Passagiere auf der Seite des Abhangs aufsprangen und sich zu den Leuten auf der Bergseite buchstäblich auf den Schoß setzten, um den Bus vor einem Absturz zu bewahren. 

Ich sagte zu dem Mädel neben mir: "Es ist unglaublich, dass diese Busse nicht ständig den Abhang hinunter stürzen!" Sie sah mich belustigt an: "Oh doch, das tun sie relativ oft! Hier schau, die Narbe habe ich mir zugezogen als ich in einem saß der den Hang hinunter fiel. Gott sei dank ist niemand gestorben." 

Nach diesem aufschlussreichen Gespräch sprang auch ich bei jeder Abhang-Neigung des Busses wild auf und drückte mich mit aller Gewalt auf die Bergseite. Wenn ich diese Fahrt überlebe, nahm ich mir vor, schicke ich meinem Bruder per sms mein Testament. Ich muss diese Straße schließlich auf dem Rückweg ein zweites Mal passieren. 




Das erste Mal einen Blick auf die schneebedeckten Berge erhaschen


Pinkelpause. Pablos Gesicht sagt schon alles!

Es ist kuschelig im Bus 
Wieso kann ich den Bus von vorn fotografieren? Es gab ein Stück Weg, da waren große Teile der Straße
förmlich abgebrochen und den Hang hinab gerutscht.
Weil die ernste Gefahr bestand, dass der Bus beim Versuch diesen Teil zu passieren selbst dem Rest der Straße hinterher rutscht, sagte uns der Fahrer
vorher Bescheid und jeder der wollte konnte aussteigen und laufen, was
mindestens die Hälfte der Passagiere auch tat. 

Und dann war da noch dieser LKW der im Berg fest hing und einen kleinen Stau verursachte. 

Aber da auch so etwas eher die Regel als die Ausnahme ist,
wissen die Nepalesen schon genau was zu tun ist.
Sie rufen den Bagger!
Dauert zwar ein bisschen, bis der ankommt, aber dann!



Die spektakuläre Rettungsaktion, bei der nicht nur der Bagger, sondern auch die Nepalesen kräftig schoben. 

Endlich haben wir den Engpass hinter uns gelassen. Die Fahrt kann weiter gehen.

  

12. Februar 2014

Once in Kathmandu


Völlig krank und ausgezehrt kamen wir in Kathmandu an – einer Stadt die sonderbar wuselig und ruhig zugleich ist. Zwischen hektischem Alltag auf überfüllten Straßen und tiefer Spiritualität schoben wir uns durch kleine Gassen, feilschten mit Ladenbesitzern und aßen unseren ersten "Say Hello to the Queen" – einen wunderbaren Eis-Keks-Banane-Nachtisch, den man in einem dreckigen unscheinbaren Hinterhof bekommt.

Kathmandu ist für viele nur ein Zwischenstopp, um ins Himalaya-Gebirge zu reisen. So auch für uns. Eigentlich waren für Nepals Hauptstadt mit knapp einer Millionen Einwohnern nur zwei Tage eingeplant. Doch wie das auf Reisen so ist, kommt am Ende doch alles ganz anders als geplant. Meine Lebensmittelvergiftung aus Indien band uns für mehrere Tage an Kathmandu und lehrte uns den leckeren Geschmack von Himalayan Herbal Gastric Tea, der mir gegen meine Magenschmerzen empfohlen wurde.

Die Menschen in Kathmandu sind fröhlich, wollen einem ständig Hasch verkaufen und lassen dich gerne den vielfachen Preis vom normalen zahlen. Sie sind hilfsbereit und gelassen, freundlich und neugierig. Der Verkehr ist das absolute Chaos, zu großen Teilen wären wir zu Fuß schneller gewesen! Doch die Uhr tickt anders hier am Fuß der großen Berge und so sitzen wir gelassen in den kleinen stickigen Taxis, lassen uns von der holprigen Straße durchrütteln und saugen die Eindrücke in uns auf.